RPWL | Crime Scene

Crime Scene

Release 2023

Wenn sich eine Band wie RPWL eines Themas für ein Album annimmt, dann ist in der Regel davon auszugehen, dass dieses eklektische Quartett tief, sehr tief, in das gewählte Spektrum eintaucht und es aus allen möglichen Perspektiven ausleuchtet. Dann wird – wie auch schon bei vergangenen Konzeptalben wie zum Beispiel „Tales from Outer Space“ (2019) – ein größtmöglicher Teppich ausgerollt und die Kompositionen gehen mit den sorgsam geschriebenen, wie musikalisch gesetzten Lyrics Yogi Langs Hand in Hand, um dann final aus einem Guss präsentiert, arrangiert und performt zu werden.

Auf dem neuen Longplayer Crime Scene lenkt die bayuwarische Artrock-Institution ihre Aufmerksamkeit auf das Morbide, das Perverse, das Böse im Guten, die Abgründe des menschlichen Verhaltensspektrums in all seiner unvorhersehbaren Vielfalt, die dann manchmal auch so bizarr verstörend schlüssig daher kommt, wenn man denn ansetzt sie ergründen zu wollen.

Wo endet Liebe, wo beginnt Manie? Lässt sich eine Grenze zwischen krankhaftem Wahn und minutiöser, krimineller Akribie festmachen? Thematisch tauchen in Crime Scene Motive und Sujets wie Karl Denke, jener Kannibale von Münsterberg, oder der hoffnungslos liebende Heim-Präservator aus Florida, Carl Tanzler, auf. Die irren Lebensgeschichten allein dieser beiden Menschen hier aufzurollen, das würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Sollte man jedoch denken, dies sei allzu far out, dann greifen sofort zwei Gegenargumente: erstens haben RPWL noch nie Grenzen gekannt, zumindest keine, die sich selber setzen und zweitens sind diese Fälle wirklich geschehen. Fälle, die den Begriff der Kriminalität ebenso dehnen, wie RPWL den der Rockband, seit ihrem Debüt „God has failed“ (2000). Aber dies tun sie bereits seit ihrer Bandgründung 1997 in Freising, also sollte die Überraschung alles in allem eigentlich keine sein, während dieses Album natürlich an jeder Ecke mit Überraschungen aufwartet.

In sechs dicht-atmosphärischen Tracks haben sich RPWL – Kalle Wallner/Gitarre, Yogi Lang/Vocals, Keys, Marc Turiaux/Drums & Markus Grützner/ Bass – wieder einmal auf intensive Reisen durch die eigene Bandvita, als auch die jeweils eigenen Plattensammlungen begeben. Das Bemühen von Vergleichen ist immer so eine Sache, denn immerhin ist dies die 19te Veröffentlichung dieser international erfolgreichen Band. Gefühlt gerade eben legte Lead-Gitarrist Kalle Wallner sein viel gelobtes Solo-Album Voices vor und man spürt es förmlich in der Eloquenz der Soli, die sich hier allerdings eindeutig der jeweiligen Komposition dienlich zeigen.

Die teils morbid-düsteren Themen werden mit old-school Fuzz konterkariert, das knapp 13-minütige „King of the World“ mit seinem knurrenden Big Muff und seinen flächigen Vibes, oder „Life beyond Control“, das mit seinem Offbeat-Einsatz sicher zu den härtesten Stücken in der RPWL Diskographie gehören dürfte, legen ihr Geständnis auf der Crime Scene ab. Die ehemaligen Floyd-Eleven wissen um die ewigen Vergleiche, hier aber spätestens geht es um die dark side of the soul, da kann man Schweine ruhig auch mal fliegen lassen und manch einen Verbrecher wünscht man sich besser nicht here zu sein…

„Live in a Cage“ bringt das das Kalkül des wie immer akribischen Sounddesigns dieses neuen RPWL-Albums auf den Punkt, nahtlos schließt sich „Red Rose“ daran an. Pflaster auf Schusswunde als Prinzip. Aber der Wahn der normalisierten Gewalt wabert in so vielen Haushalten unter der vermeintlichen Harmonie, die die vier Musiker hier den Hörer glauben lassen. Wie fühlt es sich an, überhaupt kein Konzept von Freiheit zu haben, die Angst die bürgerliche Sicherheit zu verlassen aber größer ist? Allein im Lockdown-Jahr Jahr 2020 erfasste die Polizei über 119.000 Fälle von partnerschaftlicher Gewalt, 139 davon mit tödlichem Ausgang, die sich in über 80% der Fälle gegen den weiblichen Part in der Beziehung richteten.

Yogi Lang kommentiert aus künstlerischer Perspektive er sei schon immer von gesellschaftlichen und persönlichen Schattenseiten fasziniert gewesen. Kalle Wallner stellt die Gretchenfrage, wie man es denn mit dem Bösen an sich halte: „Wer macht uns zu dem wer wir sind? Ist es eine Frage der Genetik oder sind es doch die sozialen Umstände, unsere Kindheit, Schicksalsschläge, Druck oder Kränkungen?“

Das ‚Böse‘ bildet eines der Kernthemen auf Crime Scene, welches über das Band-eigene Label Gentle Art of Music, im Vertrieb von Soulfood, am 17. März 2023 erscheint.

01. Victim Of Desire
02. Red Rose
03. A Cold Spring Day In ‘22
04. Life In A Cage
05. King Of The World
06. Another Life Beyond Control

Yogi Lang (vocals, keyboards)
Kalle Wallner (guitars)
Markus Grützner (bass)
Marc Turiaux (drums)

Veröffentlichung 17.03.2023
Media CD GAOM073
Vinyl Coloured GAOM073LP
Label Gentle Art Of Music
Vertrieb Soulfood